So Gedanken

Sola steht nicht nur für Sommerlager

Kirchen mit Riesenrad

Neulich weckte mich der Pfarrer im Sonntagsgottesdienst schon bei der Begrüssung aus meiner leicht schläfrigen Andacht. Mit den Worten „Liebe Festgemeinde“ wandte er sich an mich und die zahlreichen Gottesdienstbesuchenden in den Bänken vor und hinter mir. Wenn wir eine Festgemeinde sind, muss auch irgendwo ein Fest sein, kombinierte ich trotz sonntäglicher Morgenstunde schon recht scharf. Aber wo? Aufgefallen war mir noch nichts. Auf dem Weg zur Kirche musste ich auf dem Dorfplatz von Gelterkinden nur – wie seit Wochen üblich – Bauabschrankungen, sicher aber keine Festbänke umkurven. Auch war dort nicht der obligate Bierkühlwagen zu sehen. Wenn also Fest, muss es eher eine trockene Sache sein. Doch schon bevor ich mit meinen eher mässig blitzschnellen Gedanken zum Ziel kam, wurde das Rätsel durch den Begrüssenden selber aufgelöst.

Wir feiern Reformationssonntag! Stimmt. Am ersten Sonntag im November suchen die Reformierten nach ihren Wurzeln. Nur, wo sind diese zu finden? Unser Pfarrer muss wohl geahnt haben, dass ich da eine gewisse Anschubhilfe brauche und liess uns „Ein feste Burg ist unser Gott singen“. Klar. Der Reformator Martin Luther hat da sicher eine nicht zu vernachlässigende Rolle gespielt. Bei Luther denke ich zuerst an seine 95 Thesen, die er dem Erzbischof als Gedankenanstoss schickte. Je nach Ansicht der Historiker soll er diese sogar eigenhändig an die Türe der Schlosskirche in Wittenberg gehämmert haben. Dabei hat er nicht nur die Regeln seines Chefs missachtet, sondern auch die der Präsentationstechnik. Nichts von maximal sieben Punkten. Nein, 95 Punkte! Das tönt kompliziert, ist aber viel einfacher.

Das ganze reformatorische Konzentrat steckt in vier Punkten, im „vierfachen Allein“:

Sola scriptura – allein durch die (Heilige) Schrift
Solus Christus – allein Christus
Sola gratia – allein aus Gnade
Sola fide – allein durch Glauben

Zugegeben, das habe ich zum Teil dem aktuellen Kirchenboten und Wikipedia abgeschrieben. Meine Lateinischkenntnisse beschränken sich auf einige Asterix-Zitate und vielleicht ein paar hängengebliebene Sätze aus dem Kirchenchor-Repertoire.

Nur vier Punkte.

Reicht das für eine Kirche im 21. Jahrhundert? Da braucht es doch noch ein Kirchengesetz, ein Kirchendekret, diverse Regierungsratsbeschlüsse, ein Dekret der Stiftung Kirchengut, ein Reglement der Stiftung Kirchengut, eine Verfassung der Kantonalkirche, eine Verfassung des Kirchenbundes, eine Kirchenordnung, ein Reglement betreffend unvollständige Kirchenpflegen, ein Reglement betreffend Segnungsgottesdienste, eine Finanzordnung, ein Reglement zu den Kirchensteuern, Richtlinien zu den Steuern der juristischen Personen, ein Reglement betreffend den Finanzhaushalt der Kirchgemeinden und die Oberaufsicht der Landeskirche, ein Reglement betreffend der Berechnung des Finanzausgleichs, Richtlinien zum Portfoliomanagement, ein Reglement betreffend Übernahme von Stellvertretungen und kantonalkirchliche Aufgaben durch überdotierte Kirchgemeinden, eine Personal- und Besoldungsordnung, ein Reglement betreffend die Weiterbildung und die Supervision, ein Reglement betreffend Weiterbildung und Supervision bei pfarramtlicher Langzeitstellvertretung, Richtlinien betreffend die Förderung und die Anerkennung der Freiwilligenarbeit, ein Reglement betreffend die Teilämter im Pfarramt, ein Konkordat betreffend die gemeinsame Ausbildung der evangelisch-reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer und ihre Zulassung zum Kirchendienst, eine Ausbildungsordnung, eine Prüfungsordnung, Ausführungsbestimmungen zur Prüfungsordnung, eine Ordnung für die Entwicklungsorientierte Eignungsabklärung und das Mentorat, ein Reglement betreffend die Befreiung von der Wohnsitzpflicht, Richtlinien betreffend die Anstellung von Organistinnen und Organisten, den Anhang l a zu den Richtlinien betreffend die Anstellung von Organistinnen und Organisten, den Anhang l b zu den Richtlinien betreffend die Anstellung von Organistinnen und Organisten, den Anhang ll zu den Richtlinien betreffend die Anstellung von Organistinnen und Organisten, den Anhang lll zu den Richtlinien betreffend die Anstellung von Organistinnen und Organisten, die Berufsethische Selbstverpflichtung für die Mitglieder des Pfarrkonvents, die Kammerordnung der reformierten Landpfarrer des ehemaligen Gesamtkantons Basel, das Reglement für die Sitzungen und Geschäfte der Kammergutskorporation und der Verwaltungskommission Anhang 1 zur Kammerordnung, das Geschäftsreglement der Synode, das Reglement der Synode für Aussprache-Synoden, ein Reglement der Synode für das Verfahren vor der Rekurskommission, den Erlass der Synode betreffend den Konfirmationstermin, …

… um nur einige zu nennen. Nicht aus meiner Fantasie, sondern aus der Kirchlichen Gesetzessammlung der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Landschaft.

Die brauchen wir alle in unserer reformierten Kirche!

Oder brauchen wir auch wieder mal eine Reformation?