So Gedanken

Ein Ingenieur blickt immer durch

Wasserhahn

Ich verstehe ja von vielem nichts. Aber von Technik, da verstehe ich etwas. Nicht umsonst mühte ich mich an der Ingenieurschule – wie die damals noch hiess – ab. Ein Ingenieur ist einer, der weiss, wie der technische Hase läuft. Der findet immer den passenden Knopf, der zieht am entscheidenden Hebel, der rechnet immer richtig und wenn einmal nicht, dann richtig falsch. Mit diesem Durchblick macht jeder Tag Spass in unserer immer komplexeren und technologisierteren Welt.

Alles klar für unseren Hund

Bis zum letzten Jahr. Da ging mir mein ganzes technisches Selbstvertrauen in die Brüche. Und das nicht etwa, weil ich an der Berechnung einer Satellitenflugbahn im Erdorbit scheiterte. Nein, ich verlor den Kampf mit der Sanitärtechnik, die eigentlich gemacht ist für den Alltag. Alltagstechnik,  mit der das Kleinkind umgehen kann, bevor es die ersten Worte spricht. Sogar unser Hund – wenn wir einen hätten – wüsste intuitiv, wie er sie bedienen müsste, um seinen Wassernapf zu füllen.

Nur mich überforderte sie ganz offenbar. Den ersten Knack verpasste mir ein Sanitärdesigner, der herausgefunden hatte, dass es für die Lavabo-User viel hipper ist, wenn sie mit einem einzigen eineinhalb Zentimeter langen Joystick die Wassertemperatur und gleichzeitig die gewünschte Wassermenge regulieren können. Er hatte Recht! Nach der ersten Übungsstunde war mein Fingerspitzengefühl so weit gediehen, dass schon etwas Nass aus dem Hahn floss. Nach einer weiteren Stunde hatte dieses dann sogar eine Temperatur, wenn auch nicht die angestrebte.

Sterne ­­– wie am Kühlschrank

Den zweiten Tiefschlag verpasste mir ein so richtig teures Hotel, das mich für eine einzige Nacht beherbergte. Ein Blick ins Badezimmer liess mein Herz höher schlagen. Alles war ganz schlicht gestaltet. Erleichtert packte ich den äusserst funktionalen Hebel, mit dem ich das Wasser weich und dosiert in die wohlgeformte Keramikschüssel perlen liess. Schön! Nun die Lektion 2: Warmes Wasser. Vergebens suchte ich nach einem Regler. Scharfsinnige Gedanken funkten durch mein Hirn: Läuft das alles mit einer Fotozelle? Braucht es eine warme Handbewegung, um die Mischbatterie zu aktivieren? Oder vielleicht Spracherkennung? „Warmes Wasser! Warmes Wasser!! WARMES WASSER!!!“

Das ernsthaft besorgte Gesicht meiner Frau erschien in der Badezimmertür. Oder gibt’s vielleicht ein Warmwasser-App für die Bedienung via Smartphone, das man auf der Hotel-Homepage herunterladen kann? Ich wollte es nicht wissen und wusch mich mit kaltem Wasser. Am nächsten Morgen sprangen mir die Sterne über der Rezeption in meine Augen. Die sehen aus, wie bei unserem Kühlschrank. Bedeuten die dort nicht ebenfalls: je mehr Sterne umso kälter?

Wir sind ja nicht in der Schweiz

Diese Erlebnisse hatte ich schon fast vollständig verdrängt. Kalt hatte ich auch nicht mehr. In der brütenden italienischen Sommerhitze bezog ich mit Frau und Kindern unseren Maxicaravan auf einem venezianischen Zeltplatz. Alles war vorhanden, was man so braucht: Kochnische, Kühlschrank, Klimaanlage. Als erfahrener Schwachstromcamper wusste ich: Das Ferienglück ist erst dann perfekt, wenn auch alles funktioniert. Wir sind ja nicht in der Schweiz… Deshalb Kontrolle: Kühlschrank, kalt. Gasherd, springt an. Klimaanlage, läuft.

Alles bestens! Alles? Nur noch schnell einen Blick ins Badezimmer werfen. Ich bin beeindruckt. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich eine Duschkabine, ein Lavabo und ein WC in einem ungefähr besenschrankgrossen Raum unterbringen lassen. Aber was sage ich Duschkabine? Duschtraumwelt wäre treffender. Verschiedene Knöpfe waren da, um die zahlreichen unterschiedlichen Düsen in Wand, Boden und Decke spielen zu lassen. Da ich wegen der Hitze sowieso nicht viel mehr als die Shorts anhatte, wagte ich es sogleich, an einem der Knöpfe zu drehen. Nichts! Dann halt ein anderer. Nichts! Aha, dann ist es der Drehschalter hier. Nichts! Auch in allen für mich denkbaren Kombinationen konnte ich keiner Düse und Brause dieser Dusche auch nur einen Tropfen Wasser entlocken.

Mühsam, dass die es nicht schaffen

Nun meldete sich der Ingenieur in mir. Klar, hier ist der Haupthahn für unser Häuschen noch nicht geöffnet. Eine Sicherheitsmassnahme bei diesen leicht improvisierten Wasserzuleitungen. Verständlich, aber dennoch mühsam, dass die es nicht schaffen, einen wirklich funktionierenden Feriencontainer bereitzustellen. Gut, wenn sie es nicht anders wollen, muss halt jemand vorbeikommen und den Haupthahn öffnen.

Fünf Minuten nach meinem Anruf brauste schon das Service-Strandmobil heran. Ein immer freundlicher graumelierter Universaltechniker schwang sich aus dem Wagen, begleitete mich mit seinem leicht müden, wenn nicht schon fast traurigen Gang in den Badebesenschrank. Mit einem leicht mitleidigen Blick griff er zum Haupthebel und liess es brausen. Meine Entschuldigungsversuche kamen nicht wirklich an. Ich hörte nur noch etwas im Sinne von: „Für solche Gäste bin ich ja da.“

Kürzlich überraschte ich meine Tochter zu Hause am Stubentisch, wie sie über farbigen Prospekten mit lächelnden Senioren brütete. „Betreutes Wohnen für Männer über 53! Wir helfen Ihnen, wenn es alleine nicht mehr geht.“