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Katzenliebhaber

Von einem Mann und seinen Katzen

Weihnachten – Zeit der Geschenke, Zeit der Überraschungen.

Von meiner mittleren Tochter Mirjam lag dieses Jahr für mich ein unschwer als Buch zu erkennendes Geschenk unter dem Weihnachtsbaum.  Vom Glanzpapier befreit hatte ich dann „Von Männern und ihren Katzen – die grössten Katzenliebhaber der Geschichte“ in meinen Händen. Aus für Mirjam unerklärlichen Gründen fehlt aber in der offiziellen Druckausgabe von Sam Kalda ein wichtiger Beitrag.

Deshalb griff sie selber zur Feder und vervollständigte das Buch:

Peter Gröflin – Vater und Blogger
Es gibt ja bekanntlich zwei Sorten Menschen: Solche, die Katzen mögen und solche, die behaupten, dass sie Katzen nicht mögen. Der beliebte Blogger Peter Gröflin lässt in seinen kreativen Texten mit keinem Wort zeigen, was er von Katzen hält. Berühmt wurde er allerdings mit dem Zitat: „Wenn wir noch eine zweite Katze bekommen, ziehe ich aus. Entweder sie oder ich!“
Dass Gröflin immer noch zu Hause bei seiner Familie und Katzen Wilma und Pluto wohnt, beweist aber, dass auch er nur zum Schein in die zweite Kategorie gehört…

Alle Verdienste von Mirjam Gröflin um die Vervollständigung dieses Buchs in Ehren. Ich muss aber doch mit Nachdruck darauf hinweisen, dass sie das aufgeführte Zitat völlig aus dem Zusammenhang gerissen hat. Es ist vermutlich ihrer jugendlichen Unbekümmertheit und ihrem unkritischen Verhältnis zu Katzen zuzuschreiben, dass sie mich ungefragt in den Dunstkreis der Katzenliebhaber befördert – nein, besser gesagt: degradiert – hat.

Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als dieses fast schon verleumderische Missverständnis hier bald einmal richtigzustellen. In dem Fall: Fortsetzung folgt.

Schwimmweste

Der Chef bin ich

Es gab mal die schöne Zeit, da meinten meine Kinder wirklich noch, dass ihr Vater der Grösste und der Stärkste sei. Er weiss alles, kann alles und hinter seinen breiten Schultern kann man sich verstecken. Mit seinen Bärenkräften schlägt er alle wilden Tiere und Feinde in die Flucht. Vielleicht gab es auch nur die schöne Zeit, in der der Vater meiner Kinder meinte, dass er in deren Augen der Grösste und der Stärkste sei…

Mein Geschäft
Während zu Hause mein Stern langsam am Verblassen war, konnte ich doch noch lange meinen Kindern das Bild vermitteln, dass ich im fernen Basel Tag für Tag etwas ganz Wichtiges mache. Anfänglich konnte ich sie noch zum Staunen bringen, wenn wir ab und zu mal mit dem Tram vom Bahnhof in die Stadt hinein fuhren und ich ihnen das mächtige, glänzende Verwaltungsgebäude – mein Geschäft – zeigen konnte.

Spätestens als sie mich anlässlich der sogenannten Zukunftstage zu und bei meiner Arbeit begleiten konnten, mussten sie merken, dass Vaters Geschäft ja nicht so ganz sein Geschäft und er dort auch nicht ganz der Grösste oder Wichtigste ist. In dieser Unmenge von Leuten, die da irgendetwas zu arbeiten schienen, gab es offenbar auch solche, die noch etwas mehr zu sagen hatten als der eigene Vater. Sie lernten meinen Chef kennen, sahen auch noch den Chef meines Chefs und erfuhren von mir, dass dieser Chef-Chef mindestens auch noch einen Chef-Chef hat.

Vermutlich verstanden sie nun besser, warum ihr Vater wenigstens im trauten Familienkreis noch den Anspruch auf den Chefposten erhob und meist das letzte Wort haben musste.

Stillstand bedeutet Rückschritt
All diese Erkenntnisse haben es trotzdem nicht wesentlich einfacher gemacht, daheim die Vorgänge in meinem Arbeitsumfeld verständlich erklären zu können. Es ist halt oft etwas kompliziert in einem Grossbetrieb. Stillstand bedeutet Rückschritt – heisst es. So müssen immer wieder neue Strategien festgelegt, Bereiche umstrukturiert, Abteilungen verschoben und Teams zusammengelegt werden. Chefinnen und Chefs werden neu eingestellt, befördert, entlassen, versetzt oder ausgetauscht. Im Rückblick entpuppt sich dann einiges, was gegen den drohenden Stillstand unternommen wurde, einfach als eine weitere kurze Episode in der Firmen- oder auch der eigenen Geschichte.

Dass ich die Veränderungen im Organigramm als betroffener Mitarbeiter mitbekomme und auch verstehe, ist oft schon eine Herausforderung. Diese Entwicklungen in der Firma aber meinen unbeteiligten Familienangehörigen zu erklären, so dass sie danach wissen wo, mit wem und für wen ich neu arbeite, ist noch viel schwieriger. So waren meine Erklärungskünste auch bei den letzten grösseren Veränderungen an meinem Arbeitsplatz wieder gefordert.

Nach all den Jahren habe ich da eine gewisse Routine. So konnte ich am abendlichen Familientisch mit ein paar kurzen Worten berichten, dass meine langjährige Chefin nun nicht mehr meine Chefin sei und mein ehemaliger Chef-Chef zu meinem Chef-Chef-Chef befördert wurde. Durch meinen kürzlich erfolgten internen Stellenwechsel sei er inzwischen nur noch mein ehemaliger Chef-Chef-Chef, da mein noch ehemaligerer Chef-Chef-Chef wieder zu meinem aktuellen Chef-Chef-Chef geworden sei.

Wir waren wieder alle auf dem gleichen Wissensstand. Fragen hatte niemand.

Komplexe Firmenorganisationen
Zugegeben: Es ist schwierig in komplexen Firmenorganisationen über alle Hierarchiestufen den Überblick zu behalten. So bekam ich vor einigen Jahren wieder einmal einen neuen Chef – also einen richtigen, einen Chef-Chef-Chef-Chef. Dieser machte vieles neu, einiges auch besser. Zu den neuen Ideen gehörte, sich selber zum Ausgangspunkt der betriebseigenen Hierarchieordnung zu machen. Das ging in etwa so: Er war XY. Die Stufe seiner direkt Untergebenen wurden dann zu XY-1, deren Untergebene zu XY-2. Ich brachte es so gerade noch zu einem XY-4. Nun war endlich alles irrtumsfrei eingeschachtelt. Im Universum von XY waren nicht alle so glücklich, leisteten aber auch als Minusbepunktete trotz nicht so schmeichelhafter Etikettierung weiterhin einen positiven Beitrag zum Firmenerfolg.

Dem Urheber dieses Systems blieb das leider langfristig verwehrt. Nach relativ kurzer Zeit musste er überrascht die Erfahrung machen, dass doch nicht alle ausser ihm ein Minus in ihrer Hierarchiestufe hatten. Es war nämlich XY+1, der eines Tages bekannt gab, dass man sich wegen sogenannten Differenzen im Führungsverständnis von XY trenne.

Vieles ist nur eine Episode
So war auch diese Firmen-Hierarchieordnung wie so vieles in meinem Berufsleben als eine Episode wieder verschwunden und schon fast vergessen.

Aber eben nur fast – ganz lässt mich diese Idee doch nicht los. Mit ihrer verblüffenden Einfachheit wäre das doch etwas für komplexe Familienorganisationen. So Organisationen, wie die bei uns daheim.

Ich werde sie bei unserem nächsten abendlichen Familientisch vorstellen – dass endlich wieder mal klar ist, wer der Grösste und der Stärkste ist. Frau und Kinder werden garantiert begeistert sein.

Espresso auf Tablet

Eine klassische Win-Win-Situation

Habe ich es schon gesagt? Seit einiger Zeit arbeite ich zwischendurch als Hilfskellner. Mal etwas anderes als die tägliche Arbeit im Stollen. Nicht den ganzen Tag mit irgendwelchen Zahlen jonglieren oder dem unendlichen, relationalen Datenmodell seine Geheimnisse abringen.

Eine gute Sache, habe ich mir gedacht, als ich meiner Schwägerin zusagte, ihr ab und zu an den Samstagen im Café ihrer Shabbychic-Villa zu helfen. Eine klassische Win-Win-Situation. Sie erhält eine wertvolle Hilfe und ich kann von meinem Berufsstress abschalten. Für mich ist es sowieso auch wichtig, zwischendurch etwas mit Menschen zu machen, statt immer nur mit Zahlen. Das sagt auch mein Therapeut.

Einfach mal abschalten
Wenn ich am Samstagmorgen jeweils die Türe der noch ziemlich leeren Villa öffne, hat das schon fast etwas Meditatives. Alle Sachzwänge des Alltags kann ich am Hintereingang die steile Treppe in den Keller hinunterrollen lassen. Als freier, unbeschwerter Mensch betrete ich die Gaststube. Geniesse die wohlige Wärme der frisch eingefeuerten Kachelöfen. Rieche, wie sich der Duft des frischen Kaffees mit dem sanft süsslichen Wachsgeruch der Kerzen mischt. Mich lacht das knusprige holzofengebackene Brot auf dem Frühstücksbuffet an, das nach der frischen Bauernhofbutter und dem goldig leuchtenden Bienenhonig schreit. Ich kann es richtig hören.

„Wo bleibst du endlich? Es ist schon fast 9 Uhr! Wir öffnen.“ Uups! Das ist aber nicht das Brot, das ruft, sondern meine Chefin, die ihre Morgenmeditation offenbar schon hinter sich hat. „Es gibt viel zu tun.“ Dann also los.

Ohne ein richtiges Briefing läuft nichts
Ohne ein richtiges Briefing läuft auch in der Gastronomie heutzutage nichts mehr. „Du kennst ja alles bestens. Neu steht aber die Registrierkasse, die links vorne war, hinten rechts. Dafür hat unser IT-Fachmann endlich die Tasten der Kasse optimaler programmiert. Nächste Woche schreibt er sie dann auch noch an. Bei den beiden Kaffeemaschinen ist zu beachten, dass die Kaffeebohnen aus dem blauen Sack nur in den roten Behälter links und die aus dem grünen nur in den schwarzen Behälter rechts eingefüllt werden dürfen. Eigentlich alles ganz logisch. Fürs die heisse Milch tippst du entweder links zweimal kurz an oder dann bei der Maschine rechts einmal lang – aber nicht länger als eineinhalb Sekunden, sonst – du weisst ja… Ah, der Getränkeschrank muss unbedingt wieder aufgefüllt werden. Dann brennen noch nicht alle Windlichter auf den Tischen. Im Raum beim Eingang ist für sieben Personen reserviert. Vorstandssitzung. Also nicht stören – aber dennoch regelmässig vorbeischauen. Für die warmen Speisen gehört unbedingt immer ein Tischset unter den Teller. Du findest die Sets in einer der 27 Schubladen des Buffets. Logischerweise in der, die am wenigsten klemmt. Von den anderen solltest du die Finger lassen, besonders dann, wenn es pressiert. Um 11 – vielleicht auch erst um 12 Uhr – kommen drei Stammkundinnen, die sich für die gemütliche Ecke angemeldet haben. Du musst unbedingt den Tisch freihalten. Wenn du etwas falsch tippst, unbedingt sofort den Betrag wieder stornieren. Nimm dann die Taste links oben und bestätige die Aktion mit der Pfeiltaste in der Mitte. Also die mit dem Pfeil nach unten. Auf keinen Fall, die mit dem Doppelpfeil drücken, sonst ist alles weg. Und jetzt muss ich in der Küche.“

Nun ist wenigstens alles klar. Die Basis für eine solide und effiziente Arbeit ist gelegt. Für mich heisst es nun: Klar priorisieren und ja nicht den Blick fürs Ganze verlieren. Genau für solche Momente habe ich vor 15 Jahren das Arbeitstechnik-Seminar absolviert und die Drei-Finger-Methode trainiert. Simpel zu merken: Daumen, Zeigfinger, Mittelfinger. Im Grunde genommen verblüffend einfach. Aber, für was in aller Welt steht dieser blöde Daumen? Egal. Wichtig ist jetzt, das Ganze mit einer positiven Grundhaltung anzugehen. Gut – beginnen wir beim Dringenden und gehen dann sukzessive zum Wichtigen über. Also beginnen wir. Wir? Also ich. Aber mit waaas? Ich fühle mich, wie bei den Französischtests damals in der Sekundarschule. Tausend Wörtchen auf dem Blatt, gähnende Leere im Kopf.

Es ist wirklich gemütlich hier
In solchen Situationen hilft eine kurze Pause. So einen Laden im Schwung halten, das ermüdet und gibt Hunger. Bei einer heissen Schokolade und einem deftigen Käse-Eingeklemmten komme ich allmählich wieder zu Kräften und zu klaren Gedanken. Es ist wirklich gemütlich hier. Auch die Leute sind sehr freundlich. Dort hinten winkt mir immer wieder eine nette, ältere Frau zu, obwohl ich die gar nicht näher kenne. Langsam wird es mir peinlich. Ich winke zurück. Nun ruft sie mir sogar zu. Was? Ob sie und alle anderen im Lokal vielleicht endlich bestellen können? So eine dumme Frage. Klar, können die das. Für das gibt es das Servierpersonal … Mist, das bin ja ich!

Geistesgegenwärtig springe ich auf, schnappe mir ein Bestellblöckchen und zehn Minuten später kenne ich alle Gäste – meine Gäste – und ihre Bedürfnisse. Leider sind nicht alle so freundlich, wie die winkende Dame. Unverständlich, warum es Leute gibt, die an einem friedlichen, freien Samstagmorgen so schlecht gelaunt unterwegs sind.

Mit ein paar federnden Schritten bin ich bereits am Buffet. Nun ist eine klare und zielorientierte Kommunikation gefragt. Mit deutlicher Aussprache lese ich meine logisch strukturierte Bestellliste runter: „Ich bekomme fünf Café crème – einmal ohne Crème, zweimal mit Doppelcrème, dann einen Alpenkräutertee, einen Schwarztee nicht zu schwarz und einen Hagebuttentee nicht zu heiss.“ Danach folgten noch ein paar dieser italienischen Kaffeespezialitäten, die ich entweder falsch schreibe oder falsch ausspreche. Bereits bin ich am Ende der Liste angekommen und schliesse mit: „Und dann wollen noch sieben Gäste ein Croissant dazu.“

Keine Reaktion. Ich schaue von meinem Block auf und stelle mit Schrecken fest: Da ist ja gar niemand! Wer macht denn heute das Buffet? Mist, das bin ja auch ich!

Das perfekte Bild
In solchen Momenten zahlt es sich aus, dass man belastbar ist und sein Handwerk versteht. Wie am Fliessband fülle ich an den beiden Kaffeemaschinen Tassen und Gläser mit dem richtigen Inhalt und reihe sie sauber gruppiert auf dem Buffet auf. Fertig! Ich mustere dieses schöne Bild und schiebe noch die Gläser mit dem leuchtend weissen Milchschaum in die Mitte der dunklen Kaffees. Nun ist es perfekt! Es dokumentiert meisterlich, mit was jeder Gast auf unterschiedliche Art und Weise am Samstagmorgen in unserem Café individuell glücklich wird.

Aber wer hat nun was bestellt? Als routinierter Aushilfskellner kann ich ohne Probleme auf den ersten Blick erkennen, wer einen Espresso und wer einen Café crème bestellen wird. Ganz zu schweigen von den Schalentrinkerinnen. Da muss ich nicht einmal hinsehen. Die erkenne ich an ihrem typischen Schritt. Und erst die Teeliebhaberinnen… Sonst bin ich immer der perfekte Gästeversteher. Aber heute sehen alle gleich aus. Und alle haben einen leicht gereizten Blick. Wenn nur nicht diese Leere in meinem Kopf wäre. Habe ich das mit den Französischtests schon mal erwähnt?

Nun muss eine Lösung her, die für alle das Beste ist: „Leute, alle mal herhören! Ihr wisst ja hoffentlich noch, was ihr bestellt habt. Holt euch euer Zeugs doch rasch selber. Passt aber auf das heikle Geschirr auf und macht keine Sauerei. Ich muss nun in den ersten Stock. Vielleicht hat es dort noch andere Gäste, die ich glücklich machen kann.“

Im ersten Stock ist es ruhig. Niemand ist da, der bereits unruhig auf mich wartet. Erleichtert lasse ich mich neben dem wohlig warmen Kachelofen in den weichen Sessel fallen und lege meine Füsse aufs Tischchen. Wenn du stundenlang auf den Beinen bist, braucht es das zwischendurch.

Die können manchmal ungemütlich sein
Vermutlich muss ich kurz eingenickt sein, aber nun höre ich es deutlich: Mehrmals nacheinander fällt die schwere Eingangstüre ins Schloss. Offenbar läuft das Geschäft im unteren Stock wie geschmiert. Vielleicht schaue ich besser mal nach. Ich kenne unsere Gäste, die können manchmal recht ungemütlich sein. Von den untersten Treppentritten aus sehe ich, wie meine Chefin der letzten Frau in der Gaststube in den Mantel hilft. Danach wendet sie sich mir zu: „Du hast für heute sicher noch andere Pläne, oder? Hier kommen wir – so schätze ich es ein – für den Rest des Vormittags ohne deine Hilfe über die Runden.“

Das überrascht mich, zeigt mir aber auch deutlich, mit welch grosser Übersicht sie ihr Lokal und ihre Angestellten führt. Es kann ihr nicht entgangen sein, dass sich bei mir nach diesem happigen Morgeneinsatz erste Verschleisserscheinungen bemerkbar machen. Meine Chefin und all die netten Gäste lasse ich ungern im Stich, aber meine Mission ist hier fürs Erste erfüllt.

Zufrieden ziehe ich heimwärts. Alles ist perfekt aufgegangen. Ich habe meiner Schwägerin kompetent und mit grossem Elan den Laden geschmissen. Und auch das mit dem Abschalten vom Berufsstress hat wirklich funktioniert. So erholt wie im Moment habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.